Gerhild Kreutziger - "inklusiv und solidarisch"
 

Die Wahl haben

Wahlen

Vor zwei Jahren gab es für jeden Platz in unserem Vorstand genau einen Bewerber bzw. eine Bewerberin. Und das auch erst nach einer gewissen Zeit des Suchens und Überzeugens. Letztens erlebte ich bei der Neuwahl in einem Förderverein sogar die Situation, dass ein Vorstandsamt unbesetzt blieb in Ermangelung eines bereitwilligen Ehrenamtlers. 
Eine Situation, die ich aus vielen Vereinen kenne. Und die Ihnen vielleicht auch vertraut ist.

Seit klar ist, dass in den meisten Vereinen durch den Wegfall von Hauptamtlichen, die -wie auch immer finanziert- Einladungen schreiben und verschicken, Protokoll führen und neben Auskünften an Telefon, der Pflege der Websites auch noch rückständige Beitragszahler mahnen und Positionspapiere verfassen müssen, Geburtstagsbriefe und Weihnachtsgrüße schreiben….. also seit klar ist, da gibt es niemanden mehr, hat sich die Rede vom Ehrenamt in einem Vorstand vom „Amt“ weg hin zur ehrenamtlichen (sprich unbezahlten) Arbeit verlagert.

Länger Rede kurzer Sinn: Wer sich für ein Vorstandsamt aufstellen lässt,  der sich keine Hauptamtlichen leisten kann oder will, muss damit rechnen, dass er selbst aktiv tätig werden muss.

Was und wieviel ist da manchmal schwierig in Balance zu bringen. Ich kenne Vorstände, in denen sich alle sehr aktiv und selbstbestimmt fast schon „unheimlich“ aktiv einbringen. Ok, da hat jemand Zeit, ob Rentner, Student, Vater oder Mutter in Elternzeit oder als Arbeitsloser. Oft kann ein Berufstätiger nicht in gleichem Umfang mithalten.

Manchmal dauert es mehrere Jahre, in denen man das Ehrenamt erst schätzen lernen muss. Und in denen Vorstände knapp zu finden sind. Einige trauern in einen Übergangs Prozess lange lautstark den guten alten Zeiten nach, wo der Hauptamtliche ... Aber das hatten wir schon.

Im SPD-Ortsverein Görlitz, deren Vorsitzende ich seit einigen Jahren bin,  ist in diesem Jahr etwas Tolles passiert.  Bei der Wahl im Februar gab es so viele Bewerber für ein Vorstandsamt, dass wir beschlossen haben, die Anzahl der Vorstände zu erhöhen. Statt sieben sind wir jetzt insgesamt zehn Personen. Woran lag das, dass viele plötzlich mitmachen wollten? Vielleicht an der Gemeinschaft, die in den letzten Jahren entstanden ist, an den gemeinsamen Erlebnissen, an den gemeinsamen Aktivitäten?

Wir hätten auch eine Kampfabstimmung machen können, aber die wollte keiner wirklich (wir sind sehr friedlich, wie es scheint und freundlich zueinander). Also haben wir jetzt zwei Stellvertreter der Vorsitzenden und sechs statt vier Beisitzer/innen. 

Alles in allem auch mit der 40%igen Geschlechterquote der SPD.  Obwohl wir nur 28 Prozent   Frauen im Ortsverein als Mitglieder haben, sind dennoch 40 % der Vorstände weiblich. Vorher waren es drei von sieben. Vielleicht ist es das, was unsere gute Gemeinschaft und Zusammenarbeit ausmacht?

Ich denke, dass es gut ist, wenn sich mehrere Personen um ein Vorstandsamt bewerben. Man kann das als Kampf um Ämter oder Positionen werten. Aber wer kämpft schon wirklich, wenn der  Lohn unbezahlte mehrstündige Arbeit ist?  Es sei denn, jemand verspricht sich davon etwas anderes für sich und die Zukunft. Das kann Ansehen sein, Erfahrungsgewinn oder auch ein wenig Eitelkeit und Selbstdarstellung. Ok, auch das gehört dazu.

Ich für meinen Teil werte die Bereitschaft von mehreren Kandidaten für ein Amt eher  als gewachsenes Interesse an einer ehrenamtlichsten Tätigkeit mit der Chance, etwas gestalten zu können. Und als Bereitschaft, dem Wähler wirklich die Möglichkeit zur Wahl zu geben. Das nenne ich Demokratie.

Da geht's nicht um Sieger und Besiegte, sondern um Bereitschaft, sich zu engagieren. Manch einer oder einem  ist das Lohn genug.