Gerhild Kreutziger - "inklusiv und solidarisch"
 

Gutes Leben für alle

Vielen Menschen in Sachsen geht es gut. Auch in Görlitz hat sich viel getan. Man sieht es an den Häusern in der Stadt und auch an den schmucken Höfen im ländlichen Umfeld. Es ist nicht mehr das "grau in grau" aus der DDR-Zeit, da man nur ahnen konnte, welche Schätze hier darauf warten, wieder ans Tageslicht zu kommen.

Niemand muss mehr anstehen, um sich für Feiertage langfristig zu versorgen. Es gibt alles reichlich.

Aber es gibt nicht alles reichlich für alle.

Wer seine Arbeit verloren hat und nicht weggezogen ist, lebt heute meistens mit Transferleistungen vom Staat. Damit hat man nicht viel von der viel gepriesenen Freiheit, um die es vor 25 Jahren den meisten Menschen in der Wendezeit ging. Es fehlt die Möglichkeit, sich und der Familie etwas zu gönnen. Es fehlt die Möglichkeit, gelassen in die Zukunft zu schauen, weil man weiß, dass man mit eigner Hände Arbeit sich und die Seinen versorgen kann. Es fehlt die Gewissheit, dass es den Kindern und Enkeln besser gehen wird. 

Wer pendelt, um seine Familie hier am Ort zu versorgen, hat oft zuwenig "Lebensqualität". Die Kontakte zu Freunden und Verwandten verringern sich, weil sie weniger gepflegt werden können. Freizeitangebote können kaum in Anspruch genommen werden, weil das Wochenende der Wäsche, den Reparaturen am Häuschen oder der Familie gehören. Beziehungen werden ebenso belastet wie die eigene Gesundheit.

Wer schon älter ist und auf dem Lande wohnt, hat häufig Probleme mit der Grundversorgung. Wer nicht mehr Auto fahren kann, ist auf die Unterstützung anderer angewiesen, um seine Einkäufe und Besorgungen zu erledigen. Was macht man da, wenn die eigenen Kinder der Arbeit wegen nach Bayern oder Baden-Württembeg gezogen sind? Liegt die Lösung unausweichlich darin, den eigenen Hof im hohen Alter zu verlassen und in der Stadt von Fremden gepflegt zu werden?

Wer mit Kindern auf dem Land wohnt, muss diesen sehr viel zumuten, wenn es um den Weg zur Schule geht: viele Kinder auf dem Lande verbringen mehr Zeit im Schulbus als mit den Freunden aus der Schule oder der Nachbarschaft. Die Busfahrer sind oft "Sozialpädagogen ehrenhalber" und wissen wahrscheinlich mehr über ihre jungen Fahrgäste, als manche Fachlehrer in der Schule, der die Schüler zwei Wochenstunden unterrichtet. Was Wunder, wenn der einfache Schulweg mitunter mehr als eine Stunde beträgt. Wie kann sich ein Kind vom Lande genauso entwickeln wie seine Freunde in der Stadt, wenn es für Hin- und Rückweg mehr als zwei Stunden täglich unterwegs ist und die öffentlichen Buszeiten bestimmen, ob nach der Schule noch den sportlichen oder musischen Leidenschaften nachgegangen werden kann?

Und was ist mit denen, die Arbeit haben, die vielleicht sogar gut bezahlt wird, aber keine Zeit mehr zum Leben haben? Die unter dem Tempo der Arbeit kaum noch zum Luftholen kommen? Die von einer teuren Fernreise zurückkommen und die liegengebliebene Arbeit auf ihrem Arbeitsplatz vorfinden, weil die Personaldecke im Unternehmen eine tatsächliche Urlaubsvertretung gar nicht zulässt?

Eine Busverbindung mehr, vielleicht ein Arzt mit Samstagssprechstunde für Pendler würden sicher im Einzelfall mehr Lebensqualität ergeben.

Aber diese Art von "Schönheitsreparaturen" reichen nicht wirklich aus. Gutes Leben für alle sieht für mich anders aus. Nennen Sie mich eine Sozialromantikerin, die die Wirklichkeit der "reinen" Marktwirtschaft nicht akzeptieren will.

Ja, da haben Sie Recht. Ich bin selber Unternehmerin und kenne die Regeln von Angebot und Nachfrage. Aber das gibt keinem von uns das Recht, die Menschen nebenan zu vergessen. Wir sind soziale Wesen und als solche können wir auch handeln, wenn wir das wollen.

Wir müssen wieder zurück zu den Werten wirklich sozialer Marktwirtschaft. Die Botschaft, alles was dem Markt gut tut, täte auch allen anderen gut, ist eine billige Lüge von Menschen, die statt eines Herzens offenbar einen Stein im Brustkorb besitzen.

Im Übrigen kann es nicht gut gehen, dass einzelne Menschen jeden Tag soviel Geldzuwachs haben, sei es durch Arbeit oder durch Wohlstand und Reichtum auf dem Konto, dass sie es gar nicht mehr in den Wirtschaftskreislauf einbringen können. Damit wird der Wirtschaft Geld entzogen.

Wir brauchen gut bezahlte Arbeit für Menschen, die arbeiten können, dass sie nur in Übergangszeiten Transferleistungen brauchen.

Und wir brauchen ein System, in welchem der Bezug von Transferleistungen mit Anstand und Würde geschieht. Mit Wertschätzung für jeden!

Wenn wir keine Arbeitsplätze für gering qualifizierte Menschen in der Region haben, dann sollten wir diesen zwar immer wieder Möglichkeiten zur Qualifikation anbieten. Wenn die meisten aber in den letzten 20 Jahren erlebt haben, dass sie trotz mehrfacher Fortbildung dennoch keine Arbeit bekommen haben, dann müssen wir den Mut haben, neue Wege zu beschreiten.

Wir brauchen eine Initiative zur Schaffung neuer gut bezahlter Arbeitsplätze in der Region. Wir brauchen endlich ein tarifkonformes neues Vergabegesetz in Sachsen, welches Unternehmen aus der Region echte Chancen einräumt. Wir brauchen Vergaberegeln, die sich daran orientieren, dass hier verdientes Geld auch hier ausgegeben werden kann.

Wir brauchen keine Eierschecke, sondern die Förderung innovativer Unternehmen, die Pendlern ermöglicht, wieder vor Ort zu arbeiten.

Wir brauchen aber auch flexible Dienstleistungen der Verwaltung, die zum Bürger gehen, wenn er nicht kommen kann.

Wir brauchen unbürokratische Förderung von Selbsthilfeinitiativen im ländlichen Raum, ob diese die Versorgung oder die Pflege betreffen.

Leben und leben lassen! Miteinander leben! Leben mit kurzen Wegen!
Für Diskussionen dazu können Sie mich gern ansprechen.